WEIHNACHTEN FEIERN

so feierte man früher Weihnachten

Weihnachten war für uns Kinder der 70er Jahre etwas ganz Besonderes. Nicht nur die Geschenke, sondern das komplette Fest brachte wochenlange Vorfreude. Nach Buß- und Bettag Mitte November (nicht wie heute nach den Herbstferien) fing für uns und allen Geschäften die Weihnachtszeit an. Also Wunschzettel schreiben und auch selbst Geschenke besorgen. Als Grundschüler konnte man prima Selbstgebasteltes verschenken. Später gab es billigen Schnickschnack und Gutscheine. Irgendwie roch diese Zeit für uns Kinder ganz besonders.



Der heilige Abend

Fing bei uns zu Hause eigentlich schon morgens an. Es waren immer die gleichen Abläufe und Rituale. Sogar einen Tagesablaufplan mit Uhrzeiten habe ich mir geschrieben. Die meiste Zeit nahm der Fernseher in Anspruch. Das Kinderprogramm an diesen Feiertagen war auch immer ausgiebig. Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga Zeichentrickserien und tolle historische Spielfilme liefen den ganzen Tag. Das Problem war nur, dass wir ab 14:00 Uhr nicht mehr das Wohnzimmer mit dem einzigen Fernseher betreten durften. Aber von vorne. Ausschlafen, solange man trotz Aufregung konnte. Also 8:00 Uhr. Das verkürzte schon mal den Tag. Frühstück, Zähne putzen, waschen, Toilette, anziehen. Verflixt erst 8:10 Uhr. Laut Zeitplan sollte es jetzt schon 8:30 Uhr sein. Also rauf aufs Bett und ne Kassette hören. So vertrödelte ich die nächsten Stunden. Zwischendurch immer das besagte TV Programm.

13:00 Uhr gab´s Mittag. Nur eine Nudelsuppe. Opulent Speisen kam ja erst abends. Gegen 14:00 Uhr wurde dann gemeinsam der Baum reingeholt. Das endete immer im Fluchen von meinem Vater. Der Ständer hatte so seine Jahre auf dem Buckel. So richtig halten konnte er den Baum nur, wenn die Schrauben per Hand fest zugedreht wurden. Dafür musste man natürlich unter den Baum krabbeln. Hinzu kamen Nadeln, die ihren Namen noch verdient hatten. Nix Edeltanne. Das zusammen erklärte dann auch die Wutausbrüche vom Stammesältesten. Nach der Aufregung zurück ins Kinderzimmer. Das Schmücken des Baumes war Elternsache. Bis 18:00 war Pause. Dann kommen die Großeltern. Mittlerweile roch es in der kompletten Bude nach Essen, Zimt und Kerzenduft. Zum letzten Mal durfte der Adventskranz zeigen, was er kann. 


Geschenke, Geschenke, Geschenke

Ich würde lügen, wenn damals für uns die Geschenke nicht mit das Wichtigste waren. Doch bis dahin war es noch ein langer Weg. Die Großeltern waren eingetroffen und verteilten ihre Mitbringsel fein säuberlich auf die Haufen der einzelnen Personen. Jedes Geschenk wurde mit einem Namensaufkleber versehen, damit jeder das richtige bekam. Warum das nie 100% klappte, weiß wohl nur der Weihnachtsmann. Dann kam der große Augenblick und eine kleine Klingel läutete den Heiligabend offiziell ein. Wir Kinder durften ins Wohnzimmer. Im Hintergrund klassische Weihnachtsmusik von der Schallplatte. Das Zimmer war abgedunkelt, die echten Kerzen leuchten am Tannenbaum. Als Highlight gab es bei uns Wunderkerzen am Baum, die wohl getimed vom Vater entzündet wurden. Wir begrüßten die Großeltern und stoßen alle mit den Worten "frohe Weihnachten" miteinander an. Sekt durften wir Kinder aber erst mit zwölf 😵. In die Kirche mussten wir nicht. Der Glaube in meiner Familie war nicht besonders ausgeprägt. Aber wir mussten Gedichte aufsagen und Lieder vorspielen, bzw. singen. Das konnte meine Mama bis zur Pubertät durchsetzen. Danach war eher stille Nacht.

 

Dann endlich der Höhepunkt. Geschenke aufreißen. Wobei eigentlich vorsichtig geöffnet. Das Papier wurde, wenn möglich, wieder verwendet. Aus umwelttechnischer Sicht eigentlich eine gute Sache, wenn Mutti nicht für´s Aufbügeln des Papiers zig KW/h Strom verschwendet hätte. Naja, waren halt andere Zeiten.

 

Geschenke gab es reichlich. Dazu muss ich aber sagen, dass wir im Jahr nix geschenkt bekamen und unter dem Weihnachtsbaum immer auch Anziehsachen (also auch Socken und Unterwäsche) lagen. Dennoch konnten wir uns nie beschweren. Wir Kinder waren natürlich immer als erstes fertig und zeigen allen unsere neuen Schätze. Ach und für alle gab es ein Süßigkeitenteller. Schokolade, Marzipan, Geleesterne und natürlich Weinbrandbohnen, Mon Cherie und Schnapsfläschchen. Ein Teil (aber wirklich nur ein Teil) durfte vor dem Essen genascht werden.


La grande bouffe (das große Fressen)

Es gab Familien, die hatten am heiligen Abend Bockwurst und Kartoffelsalat, Forelle oder Gänsebraten. Bei uns gab es Eisbein mit Kartoffeln und Sauerkraut. Geschuldet war diese Auswahl meinem Opa. Er liebte Eisbein. Am allerliebsten das weiche Fett. Er schlürfte es förmlich in sich hinein. Für uns Kinder war das unverständlich und ein wenig ekelig. Wir freuten uns eh mehr auf das Dessert und auf unseren Süßigkeitenteller.

Getrunken wurde Bier und für uns Orangenlimonade. Später gab´s für die Erwachsenen nen Schnaps (oder auch zwei) für die Verdauung. Uns war das egal. Wir spielten eh schon wieder mit unseren neuen Errungenschaften.

Gegen 22:00/ 22:30 war der ganze Spuk vorbei. Wir Kinder gingen erschöpft ins Bett und Vati gönnte sich noch eine Flasche Auslese (und das tat er nur am heiligen Abend)

1te und 2te Weihnachtstag

Ich mache es kurz. Wir besuchten die gleichen Menschen, die wir schon am heiligen Abend stundenlang bei uns hatten. Sprich meine Großeltern. Geschenke gab es natürlich keine mehr. Für uns Kinder war es eher langweilig. Natürlich hatten wir einen Teil unserer neuen Spielsachen mit. 

Es gab Kuchen und Abendessen. Einmal Gänsebraten am zweiten Tag ein typisches kaltes 70er Jahre Buffet. Gefüllte Eier, Käsespieße, Schinkenröllchen mit Spargel, Nudelsalat und kleine Frikadellchen. Und an jedem stöhnten wir wie satt wir waren. Viel Essen gehörte einfach dazu. Auch diese Gegebenheit hat sich bis zum heutigen Tag nur ein wenig geändert. Naja Opa liegt in der Kiste und Eisbein habe ich seit dem nie wieder gegessen.


Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Gerda Seitenbach (Mittwoch, 03 November 2021 15:51)

    Oh das war eine schöne Zeit. Weniger Konsum, dafür mehr Wärme. Vielleicht sollten sich die Menschen mehr zurückerinnern. Früher war sicherlich nicht alles besser, aber einiges. Weihnachten war einfach schöner.

  • #2

    Mike N. (Montag, 22 November 2021 23:19)

    Die schönsten Erinnerungen in meinem Leben. Vielen Dank. Man vergisst zu schnell. Diese Seite hilft zu erinnern und dafür zolle ich Ihnen viel Respekt.

  • #3

    Gitte Weber- Klein (Sonntag, 05 Dezember 2021 19:31)

    Das war bei uns eine besinnliche Zeit mit vielen Traditionen. Heute geht´s ja nur noch um Geschenke oder noch schlimmer um Gutscheine oder Geld.

  • #4

    Vera W. (Donnerstag, 09 Dezember 2021 15:23)

    Hallo, sehr treffend beschrieben. Kenne viele dieser Traditionen und pflege diese bis heute mit meinen Kindern. Traditionen sind (wenn auch manchmal nicht ganz Zeitgemäß) so wichtig, damit wir nicht alle zu Roboter werden.

  • #5

    Fritz Weinhaupt (Samstag, 26 März 2022 19:25)

    Da wird einem bewusst, dass es heute nur noch um Kommerz geht.

  • #6

    Michael Zumbick (Sonntag, 27 November 2022 00:10)

    Wir alle waren Sklaven des 70er Konsumrauschs. Hauptsache viel, hauptsaache fett. Der Höhepunkt aller Dummheit.