
Wer Musik liebte, kaufte hin und wieder, oder so wie ich wöchentlich eine neue Scheibe aus Vinyl. CDs, MP3s, Streamingdienste? Alles noch nicht erfunden. Es gab zwar auch Musikkassetten, aber die mixte man sich eher selbst für den Walkman oder das Autoradio. Die Auswahl sämtlicher Musikrichtungen war schön überschaubar und man hatte zwei drei Lieblingsbands oder Interpreten. Ich glaube gerade das Wort Interpret ist wohl eher auch schon RETRO.
Kleinere Plattenläden waren weit gestreut. Manche davon waren auf ein oder zwei Musikrichtungen spezialisiert, manche etwas breiter aufgestellt. Mainstream gab es sogar in größeren Supermärkten. Mitte der 80er kamen dann Anbieter wie Saturn oder Media Markt. Dort war die Auswahl am größten, die speziellen Pressungen bekam man eher bei seinem Dealer oder auf dem Trödelmarkt.
Die Schallplatte an sich
Vielleicht reden wir alten Leute uns das ja nur ein, eine Schallplatte hatte Stil und sogar etwas Sinnliches, fast schon sexy. Sie war groß, dünn und schwarz. Naja meistens. Schellack war tot, es lebe das Vinyl.
Die Single:
7" = 7 inch = 17 cm Durchmesser, oft ein ca. 4cm großes Loch in der Mitte. (übrigens war das für eine bessere Plattenaufnahme in Jukeboxen). Singles konnten, wie alle Platten, beidseitig abgespielt werden. Für den Plattenspieler brauchte man meistens dann einen Adapter der das Loch auf ca. 0,5 cm verkleinerte. Auf jeder Seite war ein Lied. Fertig.
Preis 4,95DM, später 5,95DM (gab natürlich Ausnahmen).
Die Maxisingle
12" = 12 inch = 30 cm Durchmesser, kleines Loch (also die benötigten 0,5cm). Maxi Singles waren wie Singles, nur länger. Dort tobten sich die Interpreten aus. Es wurde gemixt und oft gab es ein längeres Intro. Auf der B- Seite gab es das gleiche Lied nochmal (nur anders gemixt) oder ein oder zwei andere Stücke.
Preis 9,95 DM, später 11,95DM, für Rares oder Importe auch bis 16,95DM
Die LP
Eigentlich wie die Maxi nur mit meistens 8 bis 10 Liedern.
Preis 19,95 DM bis 24,95 DM. Natürlich gab es auch hier mal Angebote oder Exoten die teurer waren.
Die EP
Größe eine LP oder in der Aussnahmegröße 10" = 10 inch = 25 cm Durchmesser
Oft ca 6 Lieder. Preise ca 14.95- 16,95 DM
Übrigens wurden 1994 rund 166 Mio Schallplatten alleine in Deutschland verkauft (Rekord)
Farben und Form
Schallplatten waren nicht immer rund und schwarz. Oft gab es Sonderpressungen in allen möglichen Farbe. Bei der Picture Disc waren Motive wie z.B. die Band abgedruckt. Shape Discs hatten eine besondere Form. Natürlich waren dabei die Rillen des Tonträgers weither hin rund angeordnet.
Der Schallplattenspieler
Schon damals gab es qualitative und preisliche Unterschiede. Sony und Technics waren damals führende Hersteller. Wichtig war natürlich auch die empfindliche Plattennadel als Tonabnehmer. Auch die Geschwindigkeit musste richtig justiert werden. Es gab Riemen- oder Direktantrieb. Automatikspieler oder man musste den Arm per Hand bedienen. Abgespielt wurden die Singles und Maxis mit einer Geschwindigkeit 45 rpm (rounds per minute), LPs und EPs mit 33 rpm. Für alte Schellackplatten gab es noch 78 rpm.
Aufbau eines Schallplattenspielers

Was man liebt, pflegt man auch
Schallplatten hatten zwei Feinde. Staub und Kratzer (und natürlich tollpatschige Menschen, die vor den Plattenspieler latschen). Die Nadel sollte also stets sauber sein und mit Platten sollte man immer sorgsam umgehen. Liebhaber besaßen eine Unmenge an Reinigungsutensilien, manche hatten sogar eine Schallplattenwaschananlage. Übrigens durfte man niemals aufs schwarze Vinyl grapschen. Eigentlich war es nicht schlimm, aber Fingerabdrücke auf den glänzenden Scheiben war ein absolutes NoGo. Gelagert wurden Schallplatten übrigens immer senkrecht und nie übereinander. Die Plattenhülle ist im besten Fall extra gefüttert und das Cover wurde mit einer extra Schutzfolie versehen. Übrigens durften Schallplatten niemals im Sommer im Auto bleiben. NIEMALS.
Der Schallplattenladen
Was habe ich den wöchentlichen Besuch bei meinem Plattenhändler genossen. Kleiner Laden aber sehr gut sortiert. Natürlich keine klassische Musik, keine Volksmusik und auch kein Schlager. Rap, Hip Hop, Drum n´ Bass o.ä. kannte man hier noch gar nicht. Angesagt waren in den frühen 80ern Heavy Metal, Rock, Pop, New Wave und NDW. Der Inhaber war ein wenig freakig. Halt ein Plattennerd. Kannte sich aber hervorragend aus und besorgte auch ausgefallene Wünsche. Natürlich lief immer Musik im Hintergrund. Geredet wurde wenig. Wer diesen Laden kannte gehörte zu den coolen Typen. Man darf nicht vergessen es gab keinen Onlinehandel. Auf 30 qm herrschte das geordnete Chaos. Zum stöbern also perfekt. Man suchte sich ein paar Scheiben raus, hörte evt. mal rein und kaufte wenn man genug Geld dabei hatte. Manchmal sprach man sich vorher mit Freunden ab, wer welche Platte kauft. Dann wurde getauscht und auf Kassette aufgenommen. Auch heute gibt es noch wenige Plattenläden dieses Formates. Auch Saturn und co. entdecken seit Jahren wider Vinyl.
CD´s hingegen sind wohl out. UND DAS IST GUT SO.
Schallplattencover
Was ein richtiger Künstler war, legte auch besonders Wert auf Coverartwork. Der erste Eindruck zählt halt auch. Einige Exemplare waren ausgefallen und aufwendig gestaltet. Das fing bei der Auswahl des Materials an und endete bei einer aufwendigen Innengestaltung über mehrere Seiten. Oft zierten Bilder der Band oder des Künstlers das Innencover. Manchmal wurden Songtexte beigelegt, manchmal gab es aufwendige Drucke. Es war und ist halt immer noch etwas Besonderes ein aufwendiges Schallplattencover in den Händen zu halten.
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Jürgen V. (Donnerstag, 25 November 2021 13:07)
Was für eine wunderbare Hommage an die Schallplatte. Wirklich kompakte und gute Zusammenstellung. Tolle Erinnerung und trotzdem ich die NDW nie wirklich mochte und mir nie eine Platte aus diese Musikrichtung gekauft habe, kenne ich die meisten Covers und auch die Songs mit teilweise sogar den Texten. Was sagt das jetzt eigentlich über mich? Falsche Freunde? Falschen Einfluss? Oder konnte man sich damals diesem Trend einfach entziehen?
Vera W. (Freitag, 26 November 2021 08:15)
Ich habe meine Schallplatten geliebt. Musikrichtung spielt dabei keine Rolle. Vinyl war geil und hatte noch einen unbewussten Vorteil. Man hörte die Stücke bis zum Ende. Vielen Dank für den Artikel. Die Seite ist sowieso sehr schön geworden.
Tim (Montag, 20 Dezember 2021 00:12)
Es hieß nicht Plattenverkäufer sondern Plattendealer. Hot Stuff halt �
Retro Fan (Mittwoch, 05 Januar 2022 23:13)
Denke wir alle hier wissen noch wie Platten aussehen. Trotzdem eine schöne Zusammenfassung.
An unearthly child (Sonntag, 09 Januar 2022 14:34)
Oh man, da kommen Erinnerungen hoch.
Freitags nach der Disco zu einem Kumpel aus der Clique, der schon eine eigene Wohnung hatte. Dort hat die ganze Truppe gefrühstückt und dann ging es Samstag morgens in die Innenstadt, Plattenläden und T-shirt Meyne durchforsten.
Viele Platten hatte ja schon der Metal Hammer besprochen, aber man fand garantiert noch irgendwelche von Indie Labeln, die denen entgangen waren.
Da bei uns die Metal Gemeinde relativ groß war, haben die Plattenläden dementsprechend aufgerüstet, und man bekam auch recht unbekannte Sachen.
Die haben sicherlich Samstags
reichlich Umsatz gemacht, jeder von uns hat wöchentlich mindestens eine, wenn nicht vier oder fünf Platten da raus geschleppt.
Coverman (Samstag, 09 April 2022 22:58)
Platten haben bis heute den besten Sound. Voraussetzung ein ordentlicher Plattenspieler und gute Boxen.
Tanja H. (Montag, 18 April 2022 00:41)
Ich liebe Schallplatten bis heute. Der MP3 Dreck oder Streamingdienste sind seelenlos und somit das Gegenteil von guter Musik. Eure Seite ist genial und dieser Artikel gut gemacht. MACHT WEITER. WIR LIEBEN DAS PROJEKT.
geht dich gar nix an :) (Donnerstag, 08 September 2022 07:36)
Mir fällt noch ein das früher viele Platten getauscht wurden. Also leihen bzw verleihen usw. Mach das mal heute mit nem Stream. Lol
Vinylpower (Freitag, 27 Januar 2023 15:37)
Richtig so. Platten sind so begehrt wie nie. Das liegt einerseits an dem unverkennbaren Klang, andrerseits an dem Gefühl, noch etwas Wertvolles zu besitzen. Ich möchte es nicht missen. Fuck MP3, Fuck Streamingdienste, Fuck das ganze Internet (ach nein, dann gäbe es ja dieses wunderbare Retroproject ja nicht)