MEINE (KURZE) ZEIT IM KINDERGARTEN


Kindergarten 70er Jahre

Kindergarten - das war zu meiner Zeit in den 60ern etwas anderes als die heutigen Kindertagesstätten. Man brauchte ihn nicht, um die Kinder unterzubringen. Bei den meisten von uns "mußte" die Mutter nicht arbeiten. Und manchmal gab's auch noch eine Oma im Haus. Kurzzeitig ließ man auch schon mal seine Kinder allein zuhause.



Auf dem Dorf fand sich auch meist  jemand in der Nachbarschaft, der die Aufsicht übernahm. Wenn nicht sowieso verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Es gab auch sehr viele Geschäfte im Ort, so daß viele quasi zuhause arbeiteten. Jeder paßte auf jeden auf.

 

Trotzdem hatten wir einen Kindergarten im Ort. Gleich nach dem Krieg hatte dort eine 16jährige die Leitung übernommen. Arbeitskräfte waren Mangelware, Frauen mußten Männerjobs übernehmen. Und für nicht all zu schwierige Aufgaben wurden auch sehr junge Leute herangezogen. Damals wurde ja noch sehr viel strenger erzogen, und so konnte man sich darauf verlassen, daß die Kinder auch einer Jugendlichen gehorchten. Das war dann auch 15 Jahre später zu meiner Zeit noch so.

 

Kurz nach dem Krieg also hatten meine Eltern mit ihrer kleinen Bäckerei und zwei kleinen Kindern gut zu tun. Deshalb wurde es ihnen ermöglicht, ihre älteste Tochter schon im Alter von 2 1/2 in den Kindergarten zu schicken. Einzige Voraussetzung: das Kind mußte "trocken" sein. Ein paar Monate später durfte auch der Sohn mit nur 1 1/2 Jahren mit.

 

Ich war dann ein sog. Babyboomer. Das sagte damals zwar keiner, aber man merkte es an den überfüllten Kindergärten und Schulen. Meine gleichaltrige Cousine durfte mit 3 Jahren in den Kindergarten. Ich jedoch erst mit 5. Meine Mutter hatte mich nicht angemeldet, weil sie es bereute, ihre älteren Kinder so früh weggegeben zu haben. Und als ich dann doch sollte, war kein Platz frei. 

 

Mit fast 5 1/2 war es endlich soweit! Nachdem ich 2 Jahre lang immer wieder mit meiner Tante mitgegangen bin, um die Cousine hinzubringen. Und immer ein paar Minuten mitgespielt habe, bevor wir wieder nach Hause sind. Da hat sich meine Mutter dahintergeklemmt, daß auch ich endlich einen Platz bekomme.

 

Wir waren drei Jahrgänge in einem großen Raum. Dürften an die 100 Kinder gewesen sein. Die Leiterin war dieselbe (bis zu ihrer Pensionierung in den 90ern) wie bei meinen Geschwistern. Außer ihr gab's nur eine weitere "Tante" - eine Halbtagskraft. Nicht selten war eine von ihnen allein zugegen! Und wenn die Leiterin einmal zu ihrer Dienstbehörde in die Stadt mußte, wurde für zwei Stunden ein 12jähriges Mädchen aus der Nachbarschaft geholt. Sie war sehr zuverlässig. Und wir wußten, was uns blüht, wenn wir nicht gehorchten.

 

Das einzige manchmal verhängte Strafmittel wirkt heute doch eher  fragwürdig. Aber es hat gewirkt. Keine Angst - geschlagen wurde längst nicht mehr. Alle Kinder saßen auf kleinen Stühlchen. Die älteren, die bald zur Schule kamen, hatten etwas größere Stühlchen. Dann gab's noch 4 Erwachsenenstühle. Einer am Schreibtisch der Leiterin, drei standen an der Längswand, mit nur einem Zweck. Wenn ein Kind etwas angestellt hatte, wurde es "auf den großen Stuhl" geschickt. Keiner durfte während der "Strafzeit" mit dem Bestraften reden. Auf jeden Fall hatte man Ruhe, über sein Vergehen nachzudenken.

 

Ich hatte ja schon erwähnt, daß der Kindergarten damals eine andere Funktion hatte als heute. Es gab damals nur kurze Öffnungszeiten: 9 - 12 und 15 - 17 Uhr. Also nur eine eingeschränkte Möglichkeit, die Kinder kurzzeitig loszuwerden. Aber man lernte dort eine andere Art von Gemeinschaft kennen als nur die Familie.

 

Und dort gab's Spielsachen, die keiner zu Hause hatte. Viel Spielzeug hatte keiner. Entweder man spielte draußen - mit anderen Kindern, mit dem, was man in der Natur fand. Oder man traf sich mit anderen und warf die Spielsachen zusammen. Oder man ging in den Kindergarten.

 

Regelmäßig ging's auch dort raus, über Wiesen und Felder oder in den Wald. Dazu wurde manchmal eine Hilfskraft geholt. Das konnte eine Mutter sein, eine andere erwachsene Person oder auch wieder ein größeres Kind aus der Nachbarschaft. Natürlich mittags, wenn die Schule aus war.

 

Nach einem Jahr, als die großen Ferien anfingen, verließ mein Jahrgang den Kindergarten. Außer eine! Weil ich ein braves und verantwortungsbewußtes Kind war und eine so kurze Kindergartenzeit hatte, durfte ich die 6 Wochen bis zur Schule noch bleiben! Zu dieser Zeit hatten die Kindergärten während der Sommerferien geöffnet. Ich glaube, das war meine beste Zeit. Ich war jetzt die Älteste! Und es war nicht so voll, denn viele waren in Urlaub gefahren.

 


Vielen Dank liebe Dagmar, dass Du diese Erinnerung mit uns teilst.

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Kommentare: 1
  • #1

    Dagmar Kiontke (Dienstag, 16 Mai 2023 20:59)

    In der Einleitung wurde noch eine Sache vergessen, und ich habe es in meiner Erzählung auch nicht erwähnt.

    Die Kindergärtnerinnen brauchten keine Rücksicht zu nehmen auf Vorlieben, Befindlichkeiten oder gar Allergien bzgl. des Essens. Wir hatten alle ein Kindergartentäschchen und ein Kindergartenfläschchen , in denen wir unser belegtes Brot, die Banane und den Tee selbst mitbrachten.