
Als ich aufwuchs, waren meine Spielsachen überschaubar. Anders als heute, wo fast jeder alles hat und viele Spielzeuge die Grundlage für Sammlungen bilden, weil es soundsoviel Variationen gibt und man unbedingt alle haben muß.
Zuerst habe ich einige Spielsachen von meinen älteren Geschwistern geerbt. Eine Puppe von der Schwester, ein paar Legosteine vom Bruder und einige Bücher von beiden. Titel wie "Alarm am großen Sklavensee", "Brennende Quellen" und "Uschi, Dieter und ein Dackel" sind mir noch in guter Erinnerung. Auch von meiner Mutter bekam ich Bücher aus ihrer Jugend. Sie war 40 Jahre älter als ich, und deshalb waren das sehr alte sog. "Backfisch-Romane" wie "Nesthäkchen" und "Trotzkopf". Aber die waren um 1970 sowieso bei den Mädels wieder in Mode. "Pucki", Goldköpfchen" u. ä. Bücher wurden neu aufgelegt und man lieh sie sich damals gegenseitig aus.
Mit den Jahren kamen ein paar Sachen dazu, meist Puppen und -kleidung, aber auch Gesellschaftsspiele und Bausteine. Spätestens mit 14 (Konfirmation) spielte man nicht mehr mit Puppen. Meine große Schwester lud alle Puppen (nur eine durfte ich behalten) in den Kofferraum ihres kleinen Fiats und brachte sie zu unseren kleinen Cousinen.
An Weihnachten gab's noch eine Besonderheit. Damals war es üblich, bestimmte Spielsachen nur über die Feiertage hervorzuholen. Das waren bei mir ein Kaufladen, mit dem schon mein großer Bruder gespielt hatte. Und eine Puppenküche, die vorher meiner großen Schwester gehört hatte. Die beiden bekam ich nur abwechselnd zu sehen - ein Weihnachten den Kaufladen, beim nächsten Fest die Puppenküche. Es gab jedes Mal eine kleine Neuheit für die Einrichtung, mal ein neues Warensortiment oder eine kleine Waage, ein anderes Mal einige kleine Kochtöpfe. Auf jeden Fall freute ich mich schon deshalb auf Weihnachten. Sobald der Baum abgeschmückt wurde, verschwanden auch die beiden Spielzeuge.
Die meiste Zeit spielten wir aber damals auf der Straße. Oder man ging zu den anderen nach Hause. Die hatten oft andere Spielsachen. Wir nahmen aber auch eigene Sachen mit und konnten so schöner zusammen spielen. Zu Hause sah man das nicht so gerne, weil schon mal so einiges vergessen oder verloren wurde. Da gab's Kinder, die dann tatsächlich behaupteten, es gehöre ihnen. Dann mußten sich die Eltern auseinandersetzen. Meist klappte das; ich mußte aber auch schon mal verzichten, weil die Eltern manchmal genauso unverschämt waren wie ihre Kinder und die meinigen (Geschäftsleute) es sich nicht mit ihren Kunden verscherzen wollten.
Abwechslung hatte man auch im Kindergarten. Da gab's viele Dinge, die keiner von uns zu Hause hatte. Außerdem war gleich daneben der Spielplatz mit Schaukeln, Rutschbahn, Wippe und Sandkasten. Hätte damals jemand solche Geräte auf dem eigenen Grundstück gehabt, wäre er wohl Millionär gewesen.
Sobald ich lesen konnte, wurde ich zur Leseratte. Irgendwann wurde mein Bücherregal aber zu klein. Da wir sehr beengt wohnten und auch nicht gerade wohlhabend waren, bot sich die Stadtbücherei an. Ab 1972 kam zweimal die Woche die Fahrbücherei. Da hatte ich bald alles ausgelesen, was es für meine Altersgruppe gab. Also sah ich mich auch in anderen Abteilungen um. Als dann meine Ausbildung begann, stellte ich das Lesen langsam ein.
Aber meistens spielten wir sowieso auf der Straße oder in der Natur. Im Wald sammelten wir z.B. Eicheln, Kastanien, Hagebutten und Blätter und bastelten damit zu Hause. Oder wir suchten Äste und bauten uns zwischen den Bäumen eine kleine Hütte. Dann holten wir uns von Hause Gegenstände, die nicht mehr gebraucht wurden, und richteten uns einen kleinen Haushalt ein. Oder wir trieben uns einfach nur in der Natur herum. Oft konnte man dabei Tiere beobachten.
Früher war es auch üblich, sich auf fremden Grundstücken herumzutreiben. Die Menschen waren damals viel gelassener. Da gab's einiges zu finden in nicht mehr genutzten Scheunen und Ställen. Manchmal gab's dort auch Tiere wie Kaninchen oder Tauben, die wir fütterten oder nur anschauten.
Und es gab prima Spiele, die nur auf der Straße und mit möglichst vielen Kindern funktionierten. Ich befürchte, daß diese vergessen werden, da heutzutage kaum noch draußen gespielt wird und auch nicht mehr genug Kinder zusammen kommen.
Fangen, Verstecken oder Federball geht ja noch zu zweit. Aber "Fischer, wie tief ist das Wasser?", "Uhrenverkauf" oder "Knotenmutter" - da braucht man mindestens 10 Kinder, sonst macht's keinen Spaß. Und für Märchen oder Fernsehen nachspielen braucht man auch genügend Kinder, um alle Rollen zu besetzen. Und einer muß der Regisseur sein. Auch Cowboy und Indianer wäre wohl langweilig - zu zweit.
Wir waren damals mehr an der frischen Luft, hatten mehr Bewegung als heute und hatten vor allem mehr Spaß.
Und was waren die Spielzeugläden und -abteilungen früher so liebevoll gestaltet. Heute sehen alle gleich nüchtern aus wie "Toys 'R' Us". Oder es ist alles aus Holz, was mich denken läßt, der Laden gehört Alternativen aus den 80ern.
Vielen Dank liebe Dagmar, dass Du diese Erinnerung mit uns teilst.
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